Hintergrund
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08.07.2019, 10:50 Uhr
„Anonymer Krankenschein“ für illegal in Berlin Lebende
50.000 Personen ohne Aufenthaltsstatus soll medizinische Versorgung ermöglicht werden
Personen ohne Aufenthaltsstatus sind solche, die ohne Papiere bzw. aus aufenthaltsrechtlicher Sicht illegal in Deutschland leben. Dazu gehören illegal eingereiste sowie ausreisepflichtige und zur Ausreise aufgeforderte ausländische Personen, wie zum Beispiel rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber oder Personen, deren Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wurde. Sie haben aufgrund ihres rechtlichen Status’ keine Möglichkeit, eine Krankenversicherung abzuschließen.
Laut Webseite der Senatsverwaltung für Gesundheit (https://www.berlin.de/sen/gesundheit/themen/migrantinnen-und-migranten-ohne-krankenversicherung/menschen-ohne-aufenthaltsstatus/) bleibe diesen Personen der Gang zum Sozialamt und die Beantragung eines Krankenscheins verschlossen. Und zwar, weil nach § 87 des Aufenthaltsgesetzes öffentliche Stellen wie Sozialleistungsbehörden verpflichtet sind, Erkenntnisse über den illegalen Aufenthalt von Menschen an die Ausländerbehörden zu übermitteln. Mit dem „anonymen Krankenschein“ will man diese Kollision zwischen der Durchsetzung des geltenden Aufenthaltsrecht und der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen umgehen, denn der „anonyme Krankenschein“ wird ausgehändigt, ohne dass der Empfänger seine Identität preisgeben muss. 1,5 Mio. Euro werden dafür jährlich vom Berliner Senat bereitgestellt. Ärzte und Krankenhäuser müssen diesen Krankenschein akzeptieren, die Kosten trägt das Land Berlin bzw. der Steuerzahler.
 
Laut Antwort auf die Anfrage des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Tim-Christopher Zeelen, an den Senat werden Leistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes vom anonymen Krankenschein erfasst. Darunter fallen u.a. ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln, zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen, Schutzimpfungen, Vorsorgeuntersuchungen und in Einzelfällen auch Zahnersatz. Darüber hinaus gehende „sonstige Leistungen“ sind ebenfalls Teil des Leistungskatalogs. Leistungsberechtigt sind nach Angaben des Senats übrigens gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes auch Ausländer, die sich im Bundesgebiet aufhalten und vollziehbar ausreisepflichtig sind.
 
„Dass Ärzte und Krankenhäuser jedem Menschen im Notfall helfen, ist selbstverständlich und eine humanitäre Verpflichtung. Mit dem anonymen Krankenschein erhalten nun jedoch auch Personen standardmäßige medizinische Leistungen, die illegal in Deutschland sind und sich hier gar nicht aufhalten dürfen. Dies steht der Durchsetzung des Aufenthaltsrechts entgegen. Der Staat ist verpflichtet, illegal anwesende Personen zu identifizieren und auszuweisen. Der anonyme Krankenschein bewirkt das Gegenteil. Das ist ein fatales Signal“, erklärt sich Zeelen.
 
Kritiker sehen darin Einladung zum Missbrauch. Laut Antwort auf Zeelens Anfrage, schätzt der Senat die Gefahr des Missbrauchs jedoch als „nicht hoch“ ein. Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss auch, dass er die Gefahr nicht als niedrig einstuft.
 
„Der Senat kann nicht einmal ausdrücklich ausschließen, dass Personen mit mehreren Identitäten sowie Gefährder mit islamistischem Hintergrund die Anlauf- und Vergabestellen aufsuchen und durch die Ausgabe von einem anonymen Krankenschein den Zugang zur medizinische Versorgung zu erhalten“, so Zeelen.